Samstag, 23. Februar 2008

Speed dating auf der Berlinale

Willkommen auf den Seiten meines digitalen Arbeitstagebuches. Ich dolmetsche und übersetze für Politik und Wirtschaft, Kultur und Medien und in der Bildungs- und Sozialarbeit. Einige feste Termine im Jahr sind Events wie die Berlinale oder Premieren. Wenn Sie mich buchen möchten finden Sie rechts oben meine Kontaktdaten.

Doch noch ein Nachtrag zum Filmfestival. Die Frage "Was sind Press Junkets?" erreichte mich. Ein junket (Wörterbuch: a festive social affair) ist eine nette Veranstaltung, eine Kaffeefahrt auf anderleut' Kosten oder eine sonstige freundlich gemeinte Veranstaltung mit mehreren Menschen — das Ganze für die Presse. Und bei press junkets auf internationalen Filmfestivals sind neben Journalisten und den Stars oft Dolmetscher mit von der Partie; Austragungsort ist meist ein Nebenraum im Luxushotel.


Die Chose könnte auch unter "speed dating" laufen: Eine Berühmtheit begegnet drei bis fünf Vertreterinnen und Vertretern der Presseorgane, die immer hübsch der Reihe nach ihre Fragen stellen dürfen. Wie die Journalisten am Ende die Antworten auseinanderfitzen (sächsisch für 'entwirren') und ob in so einem junket schon mal ein großes Interview entstanden ist, das am Ende eine Zeitungsseite füllte, weiß ich nicht.

Jedenfalls exklusiv hat hier keiner was. Allenfalls der/die Dolmetscherin den/die Filmmenschen.



Nein, keine Intimitäten an dieser Stelle. Aber es ist schon denkwürdig, neben Leute wie Isabelle Huppert, Nathalie Baye oder Claude Chabrol zu sitzen und zu sehen, wie sie mit großer Geduld immer wieder frisch auf die ewig gleichen Journalistenfragen antworten. Ich überzeichne ein wenig, die Fragen variieren durchaus und die Besten der Branche outen sich spätestens hier. Aber die meisten Hins und Hers dieser Tage ähneln sich. Das ist dann große Kunst, immer so zu antworten, als verfertigte man seine Gedanken gerade erst beim Sprechen, als sei man ohne die wunderbare Vorlage des Medienmenschen niemals auf diese geistreichen Einfälle und tiefschürfenden Erkenntnisse gekommen. Was ohne Abstriche auch für den Dolmetscher gilt: Frisch, neu, besonders, keine dramaturgischen Schleifen auslassen, das wird hier allenthalben gefordert. Der Dolmetscher verkauft hier den Star an die Presse, er oder sie muss mithalten können.


Wenn sich beide hier gut verstehen, führt der Regisseur Regie und ist sein eigener Schauspieler — und auch der Dolmetscher erlebt sich plötzlich als Dolmetscher-Darsteller. Wenn sich beide hier sehr gut verstehen, findet darüber in den kurzen Pausen eine ironische Reflexion sowie ein Parallelgespräch statt.



Denn Pausen gibt es bei diesen 'Gruppeninterviews', so nennen es die Franzosen (interview groupé). Alle zwanzig Minuten wird die prestigereiche Öffentlichkeit gewechselt, neue Pressemenschen betreten den Raum und der Spaß beginnt aufs Neue. Schlimmstenfalls dauert eine solche verbale Landpartie anderthalb Tage.
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2 Kommentare:

Flirt hat gesagt…

Ich hoffe, so etwas wird dieses Jahr wieder angeboten!

caro_berlin hat gesagt…

Das läuft jedes Jahr auf der Berlinale so, diese Art der Veranstaltung ist aber weniger Speed dating oder Flirt, als es der Titel des Eintrags verheißt! Obwohl das Festival schon auch so etwas wie ein Heiratsmarkt ist. Aber ich schweife ab ...