Dienstag, 13. Januar 2015

Katzenmusik

Will­kom­men auf der Sei­te ei­ner Fran­zö­sisch­dol­met­scher­in und -über­setzerin aus Berlin. Hier kön­nen Sie in unseren Alltag Einblicke nehmen. Mein Arbeitsjournal ist aber auch der Ort, an dem ich über die Sprachen nachdenke, mit denen ich arbeite.

Gestern hatte ich einen Kater. Keinen, der auf Alkohol zurückzuführen ge­we­sen wäre, son­dern einen infolge Überkonsums von Medien, einen nach zu viel Arbeit und dem Kontakt mit zu viel verstörender Wirklichkeit. Natürlich denke und lese ich weiter viel über die politischen Folgen nach. Die nächste Konferenz zum The­ma kommt bestimmt, da will ich gewappnet sein. Die ersten Kakophonien (Miss­klän­ge) und politischen Vereinnahmungen sind bereits zu hören.

Katzen purzeln über ein Notenblatt
Moritz Ludwig von Schwind (1804 bis 1871)
Und lange schon habe ich darauf gewartet, dieses Zitat eines/einer Unbekannten hier unterzubringen, das mich spontan überzeugt hat: "Katzen, Erfinder des In­ter­nets". Deshalb heute (siehe unten): Proudly presents, das Netzfundstück mit dem anderen cat content: Katzenmusik.

Vorab aber einige linguistische Gedanken. Denn das Wort ist einzigartig und wandert heute in die Sprachschatzschatulle.

Meine beiden anderen Arbeitssprachen ken­nen es leider so nicht. Englischen Freun­den habe ich den Begriff "cat music" wie­der­holt wört­lich übersetzt, und ich durfte dann charivari und shivaree lernen.

Heute verstehen wir hierzulande unter einem Charivari eine kleine silberne Kette, die mit einzelnen Fundstücken ver­ziert wird, kleinen Glücksbringern aus kost­ba­rem Stein, Horn, Metall wie alte Münzen, es können aber auch andere Gaben der Natur wie kostbare Perlen sein.

Der Begriff Charivari leitet sich vom lateinischen caribaria ab, "Durch­ein­an­der", "Verrücktheit". Auf Französisch wurde charabia daraus, was das Kud­del­mud­del auf eine sprachliche Ebene reduziert, also "Kauderwelsch" und "Geschwätz" meint. Napoleons Truppen brachten den Begriff nach Deutschland, wo er von manchen auch noch in der Bedeutung als "Katzenmusik" verstanden wird, im 19. Jahrhundert war diese Interpretation weit verbreitet.

Springen wir direkt nach Frankreich. Wie gesagt, die Vokabel charabia führt heute nur noch in den Bereich verbaler Äußerungen. "Musique de chat" ist lediglich die wörtliche Übersetzung für misstönende Musik, ich muss es dann auf­lö­sen und mu­sique discordante sagen. Oder ich verwende das oben schon ver­wen­dete Wort cacophonie. Der Katzengedanke fällt dabei leider völlig weg, was einen beim Dol­met­schen durchaus schon mal so melancholisch machen kann, wie es die Katzen­mu­sik ist, die Sie gleich hören dürfen.

Aber dafür gibt's in Frankreich noch etwas anderes, und zwar le pipi de chat. Katzenpisse, wie sie hier verstanden wird, hat die Eigenschaft, gleichermaßen nicht sehr ergiebig und sehr unangenehm zu sein. Ein schlechter Fusel kann z.B. pipi de chat genannt werden. Womit der Kreis zum "Kater" geschlossen wäre.

Misstönend finde ich nicht, was mir eine Kollegin gestern zur Erbauung geschickt hat. Im Gegenteil, ich finde, die Musik passt zur Zeit, die zwischen Moll und Tango angesiedelt ist. Voilà !



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Film: Mindaugas Piečaitis dirigiert das Kammerorchester
Klaipeda, starring Nora, die Klavierkatze, CATcerto
Illustration: Moritz von Schwindt

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