Dienstag, 4. Oktober 2016

Im Großraumbüro

Willkommen, bienvenue & hello beim ersten deutschen Weblog aus dem Inneren der Dolmetscherkabine. Ich bin Fran­zö­sisch­dol­met­sche­rin und -über­set­ze­rin. Mein klei­nes Bü­ro ist in Ber­lin, aber ich ar­beite bei Be­darf für Sie auch in München, Bonn, Hamburg, Rennes, Paris und Strasbourg. Hier notiere ich Beobach­tungen aus dem Alltag.

Hände, Technik, angedeutete Profile: Arbeitende im ICE
Konzentrierte Arbeitsruhe
Auf der Rückreise vom kurzen Trip am lan­gen Wo­chen­en­de des 3. Oktober sitze ich im Groß­raum­wa­gen der Deutschen Bahn. Dieser ist ein Großraumbüro: Überall auf­ge­klapp­te Lap­tops und Hefte, auch ich habe Arbeit dabei. Ich übersetze ein Dreh­buch. Dabei fällt mir auf, dass die Fran­zo­sen schon viel länger den englischen Be­griff für diese Art der Arbeitsräume nutzen als die Deut­schen: Je suis assise dans l'open space, ich sitze im Groß­raum­bü­ro.

Das Wort kommt in besagtem Drehbuch vor, das heute in Paris spielt. Drehbücher übersetze ich jetzt seit bald 20 Jahren. Dabei mache ich mir auch die Regeln für Drehbuchsprache mal wieder klar:

INNEN/TAG  — ICE
Ortsbeschreibungen dürfen schön, poetisch und sogar einigermaßen ausführlich sein.
                     NAME PRÄGNANT
          (Regieanweisungen immer pragmatisch)
          Wörtliche Rede mit'n Ohren jeschrie'm ...

Dann steigt eine Gruppe Youngsters zu. Sie sprechen Normaldeutsch, gemischt mit Kanak und Faulheit: Oft fehlen Artikel, manchmal das Verb. Ach, ich würde mir wün­schen, sie würden mit der gleichen Inbrunst, mit der sie hier Handyspiele spie­len, das lernen, was ihnen offenbar nicht spannend genug an der Schule vermittelt wird. "Welches Niveau bist du?" "Schon 34!"

In Frankreich war gestern natürlich kein Feiertag. Ich stecke mitten in komischen Verhandlungen, die seit Juli laufen, ich bin beim 6. Kostenvoranschlag. Es gibt Kun­den, die möchten für 'ne Rikscha bezahlen, erwarten dann aber 'ne Limousine. Bei manchem Einsatz geht vorab ein Viertel der ver­kauf­ten Ar­beits­zeit für Kun­den­(nach)­schu­lung drauf. Das mache ich natürlich mit Fingerhandschuhen. In der Re­gel klappt es ganz gut.

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Foto: C.E.

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